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Forschung in der klinischen Neurophysiologie

In der Epilepsie-Forschung spielt die Messung der elektrischen Hirnaktivität (EEG) eine zentrale Rolle, weil das EEG nach wie vor die einzige Methode ist, mit der sich epilepsietypische Entladungen als Ausdruck pathologisch veränderter Neuronenverbände direkt nachweisen lassen.

Üblicherweise wird das EEG auch für Forschungszwecke mittels Elektroden auf der Kopfhaut gemessen. Im Rahmen der Abklärungen für eine chirurgische Epilepsie-Therapie kann es aber notwendig sein, Elektroden zur Messung des EEGs direkt ins Gehirn oder auf die Gehirnoberfläche zu implantieren, um den Anfallsursprungsort und Funktionsareale im Gehirn für eine mögliche Operation zu lokalisieren. Dieses intrakranielle EEG erlaubt es, Hirnfunktionen viel detaillierter – bis hinunter auf die Mikroebene einzelner Neuronen und kleiner Neuronengruppen – zu erforschen. Tatsächlich beruht ein wesentlicher Teil unseres heutigen Wissens über die menschlichen Hirnfunktionen auf Studien an Patienten und Patientinnen mit Epilepsie. Die Bereitschaft dieser Patientinnen und Patienten zur Teilnahme an wissenschaftlichen Studien ermöglicht damit Fortschritte in der Neurologie und den Neurowissenschaften weit über die Epilepsie hinaus.

Der Fachbereich «klinische Neurophysiologie und prächirurgische Epilepsie-Diagnostik» zeichnet für die klinische Epilepsie-Diagnostik über 70'000 Stunden EEG pro Jahr auf. Dabei ergeben sich auch zahlreiche wissenschaftliche Fragen, die wir in teilweise engen Kooperationen mit verschiedenen Institutionen erforschen. Die aktuellen Schwerpunkte der Forschung der Neurophysiologie sind:

Hochfrequente Oszillationen und Einzelzell-/Multizell-Aktivität

Hochfrequente Oszillationen (HFO) können im EEG implantierter Elektroden auftreten und sind teilweise auch im Oberflächen-EEG nachgewiesen. Die automatisierte Detektion von HFOs kann zur besseren Identifikation des epileptogenen Gewebes beitragen, das bei einer epilepsiechirurgischen Operation entfernt wird, und so zu einer Verbesserung des Operationsergebnisses führen (1-3).

Die EEG-Messung mit implantierten Mikroelektroden ermöglicht die Untersuchung der Aktivität einzelner Zellen oder kleiner Zellverbände. Dies erlaubt die Erforschung grundlegender Hirnfunktionen wie bspw. des Zusammenspiels zwischen der gemessenen EEG-Aktivität auf Makro-Ebene und auf Zellebene.

In Kooperation mit der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsspitals Zürich.


Klinische Relevanz von EEG-Mustern in interiktalen Langzeit-Aufzeichnungen

Bei der Standard-EEG-Untersuchung wird das EEG typisch 20 Minuten lang aufgezeichnet und zeigt bei der ersten Untersuchung von Epilepsiepatienten und -patientinnen nur bei 30-50% epilepsietypische Veränderungen. Ein normales Standard-EEG kann somit eine Epilepsie nicht ausschliessen. Langzeit-EEG-Aufzeichnungen dienen der weiterführenden Diagnostik und bezwecken häufig eine Anfallsaufzeichnung. Aber auch das Langzeit-EEG zwischen den Anfällen (interiktal) hat einen eigenständigen, diagnostischen Wert. So konnte u.a. gezeigt werden, dass bei fehlenden epilepsietypischen Veränderungen während 72 Stunden die Wahrscheinlichkeit für eine Epilepsie auf 1.5% sinkt, und sich damit praktisch ausschliessen lässt (4).

Entwicklung einer Video-/EEG-Cloud

Ziel dieses Projektes ist es, Video- und EEG-Daten von Anfallsaufzeichnungen mit kooperierenden Kliniken (Universitätsspital Zürich, Kinderspital Zürich), assoziierten Zentren und externen Zuweisenden zur gemeinsamen Analyse zur Verfügung zu stellen und umgekehrt telemedizinische Beurteilungen durch die Epilepsie-Klinik von in externen Kliniken erhobenen Daten zu ermöglichen. Ein Schwerpunkt liegt auf den damit verbundenen datenschutzrechtlichen Themen bei der externen Speicherung besonders schützenswerter Daten auf Web-Diensten.

In Kooperation mit der Firma Neuropro.

Forschungsprojet «Actor and Avatar»

Mit diesem Projekt wird untersucht, wie Personen mit und ohne Epilepsie natürliche Gesichter von Schauspielern und Schauspielerinnen mit emotionalem Gesichtsausdruck und deren computergenerierte, künstliche Gesichter (Avatare) verarbeiten. Das übergeordnete Ziel besteht darin, die Verarbeitung emotionaler Mimik durch das Gehirn besser zu verstehen. Dazu werden sowohl die elektrische Hirnaktivität mit EEG wie auch die metabolische Aktivität mittels funktionellem MRI untersucht.

In Kooperation mit
- Institute for the Performing Arts and Film, Zürcher Hochschule der Künste
- Institut für Theorie, Zürcher Hochschule der Künste
- Institut für Neuropsychologische Diagnostik und Bildgebung,
Schweizerische Epilepsie-Klinik an der Klinik Lengg

Automatisierte Erkennung von interiktalen epilepsietypischen Potenzialen im EEG

Das visuelle Erkennen relevanter EEG-Muster in tausenden von Stunden EEG verlangt sehr grosse Erfahrung, Konzentration und Zeit. Bestehende Methoden zur automatisierten Erkennung solcher Muster erreichen bisher noch nicht die für einen klinischen Einsatz notwendige Genauigkeit betreffend Sensitivität und Spezifität.

Mittels künstlicher neuronaler Netze werden jedoch Verfahren entwickelt und validiert, die einen zuverlässigen klinischen Einsatz ermöglichen sollen.

In Kooperation mit der Medizinischen Bildverarbeitung, Schweizerische Epilepsie-Klinik an der Klinik Lengg.

EEG bei psychogenen nicht-epileptischen Anfällen

Nicht-epileptische psychogene Anfälle zeigen in der Regel keine visuell erkennbaren EEG-Korrelate. In diesem Projekt wird untersucht, inwieweit psychogene Anfälle mit Veränderungen im Alpha-Bandbereich einhergehen.

Veröffentlichungen

Mitarbeitende der Schweizerische Epilepsie-Klinik sind fett gedruckt.

  1. Fedele T, Burnos S, Boran E, Krayenbühl N, Hilfiker P, Grunwald T, Sarnthein J. (2017). Resection of high frequency oscillations predicts seizure outcome in the individual patient. Scientific Reports 7: 13836 1-10.
  2. Fedele T, Ramantani G, Burnos S, Hilfiker P, Curio G, Grunwald T, Krayenbühl N, Sarnthein J. (2017). Prediction of seizure outcome improved by fast ripples detected in low-noise intraoperative corticogram. Clinical Neurophysiology 128 : 1220-1226.
  3. Burnos S, Hilfiker P, Surucu O, Scholkmann F, Krayenbühl N, Grunwald T, Sarnthein J. (2014). Human intracranial high frequency oscillations (HFOs) detected by automatic time-frequency analysis. PLoS One 9, e94381.
  4. Mothersill I W, Cenusa M, Bothman J, Kronauer H, Hilfiker P, Grunwald T. (2012). A reappraisal of the value of interictal EEG findings in diagnosing epilepsy plus a critical review of controversial “normal variants”, utilising long-term ambulatory EEG recordings. Schweiz Archiv Neurologie Psychiatrie 163 : 11-18.