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Schlaf und Epilepsie

Die Beziehungen zwischen Schlafstörungen und Epilepsie sind vielfältig, werden aber oft zu wenig beachtet. Allgemein bekannt ist, dass ein gestörter Schlaf bei manchen Patientinnen und Patienten das Anfallsrisiko erhöht. Umgekehrt können nächtliche – vielleicht unbemerkte – epileptische Anfälle oder andere kurzzeitige Funktionsstörungen den Schlaf beeinträchtigen und dadurch tagsüber Beschwerden wie Müdigkeit oder Konzentrationsstörungen hervorrufen. Schliesslich können anfallsartige Störungen des Schlafs und epileptische Anfälle im Schlaf einander so sehr ähneln, dass es im ungünstigsten Fall zu Verwechslungen und somit Fehldiagnosen kommt.

Zur Unterscheidung dieser verschiedenen Krankheiten wird eine Untersuchung im Schlaflabor durchgeführt. Sie beinhaltet eine EEG-Aufzeichnung an gleichzeitig mindestens 20 Elektroden, die auf die Kopfhaut geklebt werden, damit ein stabiler Sitz während der Nacht gewährleistet ist. Zusätzlich kann die Schlafuntersuchung auch verschiedene andere Körperfunktionen wie Augenbewegungen, Muskelspannung, Herzfrequenz, Atmung, Beinbewegungen und Sauerstoffgehalt des Blutes messen. Die Untersuchung wird dann als Schlafpolygraphie (oder auch Polysomnogramm) bezeichnet. Die dafür benötigten Elektroden und Messgeräte sind schmerzlos und ungefährlich.

Das Verhalten im Schlaf wird mittels Infrarot-Kamera auch bei völliger Dunkelheit aufgezeichnet. Das nächtliche Videobild ermöglicht eine wesentlich differenziertere Auswertung. Der Patient bzw. die Patientin und seine/ihre Körperfunktionen werden kontinuierlich von einer diplomierten Fachperson für Neurophysiologische Diagnostik (FND) mit Erfahrung im Erkennen von diskreten EEG-Veränderungen und von Anfallssymptomen überwacht. Die Schweizerische Epilepsie-Klinik führt solche Untersuchungen seit mehr als 30 Jahren durch mit zurzeit über 400 nächtlichen Untersuchungen pro Jahr.

Da viele Schlafstörungen sich erst durch eine gesteigerte Schläfrigkeit am Tag bemerkbar machen, verfügt das Schlaflabor auch über Ergänzungsuntersuchungen wie Aktometrie (Bewegungsmesser), Vigilanztests und Pupillografie zur Erfassung der Schläfrigkeit.

Schlafmedizinisches Zentrum

Das Team des Schlafmedizinischen Zentrums beschäftigt sich mit allen Störungen des Wach-Schlaf-Prozesses, mit einem speziellen Schwerpunkt auf nächtlichen epileptischen Anfällen.

Unsere Abteilung für klinische Neurophysiologie führt seit Jahrzehnten neben der EEG-Diagnostik (Hirnstromableitung) auch Schlafuntersuchungen durch. Diese waren bis in die 1970er- und 1980er-Jahre für spezielle Fragestellungen der zuweisenden Ärzte und Ärztinnen (meist niedergelassenen Neurologen und Neurologinnen) reserviert, die eine Schlafstörung abseits der Epilepsiediagnose vermuteten. Mit der Zunahme des Interesses auch anderer Fachdisziplinen an schlafenden Patientinnen und Patienten (Psychiatrie, Innere Medizin) hat sich in den letzten Jahrzehnten eine neue medizinische Fachrichtung formiert: die Schlafmedizin oder Somnologie. Diese beschäftigt sich aber nicht nur mit schlafenden Patientinnen und Patienten oder mit krankhaften Prozessen im Schlaf, sondern spricht alle Störungen des Wach-Schlaf-Prozesses an, so z.B. die Einschlafstörungen, Tagesmüdigkeit, unruhiger Schlaf, nicht-erholsamer Schlaf, Atmungsstörungen im Schlaf, etc. Natürlich wird in der Schweizerischen Epilepsie-Klinik dem Aspekt der nächtlichen epileptischen Anfälle ein besonderes Gewicht beigemessen.

Seit einigen Jahren wird von einem Team, bestehend aus einem Neurologen, einem Psychiater und einem Pulmologen (Facharzt für Lungenerkrankungen), die Schlafmedizin in der Epilepsie-Klinik aufgebaut.

Die Bezeichnung «Zentrum für Schlafmedizin» hat dieses Team von Spezialisten und Spezialistinnen (Somnologen bzw. Somnologinnen) im Dezember 2005 durch die Anerkennung der Schweizerischen Gesellschaft für Schlafmedizin, Schlafforschung und Chronobiologie (SGSSC) erworben. Grundlage ist die personelle und apparative Ausstattung, welche die Durchführung einer umfassenden Differenzialdiagnostik aller Schlafstörungen gemäss ICSD-Klassifikation (International Classification of Sleep Disorders) erlaubt.